IsT Dick das neue Schick?

Ca. 68% unseres Pferdebestandes in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist übergewichtig. Tendenz steigend. *1

Das bedeutet, mindestens jedes zweite Pferd ist zu dick. Bedenkt man nun noch, dass in diesen Zahlen auch alle schlaksigen Jungpferde, athletischen Sportpferde und schmale Rentner enthalten sind und betrachtet dann unsere reitbaren Freizeitpferde ist die Zahl der übergewichtigen Pferde noch viel höher.

Viele Pferde sind übergewichtig und werden gar nicht als solche erkannt! Unser Auge hat sich an „barocke“ Pferde mit Hengsthälsen gewöhnt. Wir sehen die dicken Pferde überall: Auf der Weide, im heimischen Stall, selbst auf vielen Messen sind übergewichtige Pferde gang und gäbe. Ist dann ein normalgewichtiges Pferd dabei, denkt unser Gehirn das Pferd sei zu dünn und müsste zu gefüttert werden.

Daher ist es wichtig, dass sich alle, die mit Pferden beruflich oder privat zu tun haben, ihr Auge schulen. Der BCS ist dazu ein erprobtes Hilfsmittel.

Doch wo ist das Problem? Besser ein zu dickes als ein zu dünnes Pferd?

Leider nein! Übergewicht ist der Hauptverursacher vieler Pferdekrankheiten, die genau wie bei uns Menschen dem Wohlstand geschuldet sind.

Das Fett lagert sich nicht nur an den äußeren Bezirken wie Hals, Schulter und Kruppe ab, sondern es lagert sich auch als unsichtbares viszerales Fett ab. Dieses Fett legt sich um die Lunge des Pferdes und schränkt die Lungenkapazität stark ein.  Eine perfekte Grundlage für das Equine Asthma! Auch die übrigen Organe, wie Herz und Leber sind von einer Fettschicht umgeben und in ihrer Funktion eingeschränkt.

Viele orthopädische Probleme häufen sich bei übergewichtigen Pferden, denn auf den ganzen distalen Strukturen wirken erhöhte Kräfte durch mehr Masse. Arthrosen, Sehnen- und Bänderprobleme sind vorprogrammiert. 

Der Stoffwechsel kann aus dem Gleichgewicht geraten und Insulienresistenz, EMS und Hufrehe können Folgen für das Pferd sein.


Zusammenfassend sind die Folgen von Übergewicht für das Pferd verheerend. Also sollten wir alles daransetzen, Übergewicht frühzeitig zu erkennen und gegenzulenken. Es ist viel einfacher ein gesundes Pferd abspecken zu lassen als ein bereits erkranktes. Mit frühzeitigem Erkennen und Gegenlenken spart man sich viele Tierarztkosten, Sorgen um das kranke Pferd, Schmerzen beim Pferd und die mitunter sehr aufwendige Pflege und Reha.

Bewegung ist essenziell

Wenn wir in der Zuchtgeschichte nur 150 Jahre zurückschauen, musste das Pferd mehrere Stunden am Tag hart arbeiten und die Winter waren sehr karg. Aufgrund fehlender Maschinen war auch die Heugewinnung auf ein Minimum reduziert und die meisten Pferde kamen rippig aus dem Winter. Erst im Rahmen der industriellen Revolution konnte flächendeckend genug Heu produziert werden, gleichzeitig sank die Arbeitsleistung des Pferdes auf ca. 1h am Tag. 

Wir haben also harte Arbeit über mehrere Stunden und gleichzeitig oft mangelnde Versorgung mit Energie. Sprich die Pferde wurden jahrhundertelang auf Robustheit und Genügsamkeit gezüchtet (Ausnahme die edlen Rennpferde der Reichen). Und nun innerhalb eines Jahrhunderts gibt es Futter im Überfluss und oftmals keine bis sehr wenige Bewegung!

Das bedeutet, um dem Übergewicht Herr zu werden, hilft Bewegung und eine angepasste Fütterung. Aber vorsichtig! Schwer adipöse Pferde dürfen weder geritten noch in höheren Gangarten bewegt werden. Die Belastung auf die Strukturen ist schlicht zu groß. Hier muss erst ein ausgiebiges Schrittprogramm mit angepasster Fütterung und Haltung her.

Im besten Falle kann die Haltung des Pferdes so angepasst werden, dass es in seiner Freizeit schon viele Bewegungsmöglichkeiten hat. Ein Offenstall mit nebeneinanderliegender Heuraufe (ad.Lib), Wasserstelle und Unterstand ist nicht ausreichend. Hier sollten wir kreativ werden mit Totholzhecken, Sandgrube, Hügel, Rundlauf und vielen verschiedenen Stellen zur Heuaufnahme. Nur so wird das Pferd zu mehr Bewegung motiviert und steht sich nicht an der Heuraufe die Beine in den Bauch. Jeder Schritt zählt!


16 h Futtersuche oder 16 h Fresszeit?

In den meisten Ställen ist die Zeit der winzigen Heuportionen Gott sei Dank vorbei. Aber leider sind wir vom einen Extrem ins andere gerutscht. Viele Pferde haben nun 24 h ad libidum Heu ohne die Möglichkeit Stroh, Äste oder andere alternative Rohfaser aufzunehmen.  

Zusätzlich ist das Pferd auf 16 h Futtersuche ausgelegt als Weitwanderwildtier und nicht auf 16 h Futteraufnahme. Im besten Falle kann man dem Pferd an verschiedenen Stellen des Offenstalls kleine Portionen Heu anbieten, damit es mit Futtersuche beschäftigt ist. Auch Stroh und Äste können die Raufutterration sinnvoll ergänzen und die Gesamtenergie reduzieren.

Das Thema Ernährung bei Übergewicht ist zu komplex für einen kurzen Blog.  Daher kann ich es nur jedem empfehlen, sich ausgiebig mit der Fütterung seines Pferdes zu beschäftigen und ggf. professionelle Hilfe von unabhängigen Futterberatern (Futterberatung Jungbluth – Pferdefütterung individuell ganzheitlich bedarfsgerecht) in Anspruch zu nehmen. 


Gerade bei den Stoffwechselerkrankungen wie der Hufrehe ist das Übergewicht das größte Übel. Spricht mich gerne auf die Probleme eures Pferdes an, ich helfe euch auf dem steinigen Weg und erspare euch die Umwege.